Matinee am Sonntag, 12. Februar, im Salzstadel
Gedichte gehören zum Existenzminimum. Diese Ansicht vertrat die Lyrikerin Elisabeth Borchers, der die nächste Sonntagsmatinee aus der Reihe „Mitten ins Herz“ gewidmet ist. Teile ihres Schaffens präsentieren Oliver Karbus und Martin Kubetz am Sonntag, 12. Februar, im Salzstadel. Los geht es um 11.30 Uhr.
Elisabeth Borchers handhabte Sprache mit virtuoser Schlichtheit und schuf dennoch bleibende Bilder. Schon das allererste Gedicht des ersten Lyrikbandes von Elisabeth Borchers war ein kleiner Skandal. Nach einem Vorabdruck 1961 in der FAZ hagelte es Protest in Form von Leserbriefen. Selbstverständlich gibt es den Aufreger von damals, der ihr bekanntestes Werk werden sollte, bei der Matinee am Sonntag im Salzstadel zu hören – im Rahmen eines Querschnitts durch das lyrische Lebenswerk der viel zu wenig bekannten Dichterin.
Elisabeth Borchers (1926 – 2013) wuchs am Niederrhein sowie im Elsass auf und lebte unter anderem in Schwaben, Frankreich und den USA. Sie war ein Mensch des Wortes. Als junge Frau arbeitete sie als Dolmetscherin in der französischen Besatzungszone und übersetzte englische, französische, italienische und russische Bücher ins Deutsche, unter anderem von Duras, Proust und Puschkin. Einige Jahre war sie Mitarbeiterin an der Hochschule für Gestaltung Ulm, später zeitweise Dozentin für Poetik an der Universität Frankfurt.
Die längste Zeit ihres Berufslebens aber, nämlich fast 40 Jahre lang, war sie Lektorin – zuerst im Luchterhand-Verlag, danach 27 Jahre lang bei Suhrkamp. Als Cheflektorin war sie gefürchtet für ihre Akribie, aber sie entdeckte und förderte auch viele bekannte Autorinnen und Autoren. Zum Beispiel betreute sie Ernst Jandl und Friederike Mayröcker, Jurek Becker und Arnold Stadler. Freundschaften und lange Briefwechsel pflegte sie unter anderem mit Nelly Sachs, Paul Celan und Thomas Bernhard.
Ihr eigenes Schaffen war sehr vielfältig: Elisabeth Borchers war Herausgeberin von Anthologien fast vergessener Märchen, schrieb Texte fürs Fernsehen, vielbeachtete Hörspiele, preisgekrönte Kinderbücher und sogar ein Libretto für eine „Multi-Media-Oper“. Den größten Stellenwert aber nahm für sie die Lyrik ein. Ihre Gedichte verbinden äußerste sprachliche Knappheit mit gedankenreicher Tiefe. Oft sind sie märchenhaft, absurd und surrealistisch. Als überzeugte Vertreterin der Avantgarde war Elisabeth Borchers der Meinung, Gedichten müsse es erlaubt sein, der Realität oder dem, was wir Realität nennen, zu entfliehen, „ihre eigene unnütze Realität zu finden und sei es die des Traums“. Wer sich darauf einlässt, wird am Sonntag eine traumhafte Stunde erleben – wie immer eingebettet in die poetischen Improvisationen von Martin Kubetz am Klavier.
Beginn ist um 11.30 Uhr. Die Eintrittskarten kosten neun Euro und sind ab 11 Uhr an der Kasse im Salzstadel erhältlich. Die Podcasts früherer Lesungen sind weiterhin unter www.landshut.de/stadtbuecherei unter dem Reiter „Veranstaltungen“ – „Mitten ins Herz“ verfügbar.
Foto:
Stadt Landshut (Verwendung mit Quellenangabe honorarfrei möglich)
Bildtext:
Heinz Oliver Karbus (links) und Martin Kubetz widmen die Matinee „Mitten ins Herz“ am Sonntag der Lyrikerin Elisabeth Borchers.