„Käufer können Zinstäler und ihre bessere Verhandlungsposition nutzen“ – Interview mit Oliver Adler
Wer sich in Deutschland den Traum einer eigenen Immobilie erfüllen möchte, muss inzwischen tief in die Tasche greifen. Nicht zuletzt die Baugeldzinsen von mittlerweile rund 4 Prozent schrecken viele Bau- und Kaufwillige ab. Hinzu kommen hohe Immobilienpreise, steigende Materialkosten und die Sorge, hohe Klimaschutzanforderungen finanziell nicht stemmen zu können. Das führt dazu, dass die Nachfrage nach Wohnimmobilien sinkt. Eine Chance für Immobiliensuchende? Wie sich der Traum vom eigenen Haus trotz schwieriger Rahmenbedingungen realisieren lässt, beantwortet Oliver Adler, Immobilienexperte der Bausparkasse Schwäbisch Hall im Interview.
Platzt in Deutschland gerade eine Immobilienblase?
Oliver Adler: Wenn man die Bundesbank zitiert, dann haben wir keine flächendeckende Immobilienblase in Deutschland. Denn vier Argumente sprechen dagegen:
1.: Im ländlichen Raum sind die Immobilienpreise leicht gesunken. Wenn, dann steigen sie nur noch vereinzelt. Wir werden aber nach Einschätzung aller Experten keinen flächendeckenden Einbruch der hohen Preise erleben, allenfalls einen moderaten Rückgang.
2.: Immobilien sind in Deutschland fast schon traditionell solide finanziert. Deutsche Haushalte sind in keinster Weise überschuldet, denn sie haben insbesondere in den vergangenen Jahren mit langen Zinsbindungsfristen finanziert. Somit sind die meisten Käufer auch langfristig in der Lage ihren Immobilienkredit zu tilgen.
3.: Es gibt in Deutschland mit der Wohnimmobilienkreditrichtlinie einen klaren rechtlichen Rahmen. Das heißt: Kreditinstitute dürfen keine lockere Kreditvergabepraxis betreiben. Das gibt in der aktuellen Gesamtlage die notwendige Sicherheit auf Institutsseite.
4.: Die Nachfrage nach Wohnimmobilien ist aktuell deutlich gesunken. Viele Kaufwillige können und wollen sich die höhere Monatsrate nicht mehr leisten und geben ihr Bauvorhaben auf oder verschieben es. Grundsätzlich haben wir aber weiterhin zu wenig Wohnraum in Deutschland bei anhaltend hohen Baupreisen. Daher werden wir gerade beim Neubau weiterhin mit hohen Kaufpreisen leben müssen.
Inflation, teure Immobilien und hohe Zinsen: Wie lässt sich der Traum vom Haus trotz der widrigen Umstände noch realisieren?
Adler: Ich glaube, dass sich 2023 für Immobilieninteressenten Kaufgelegenheiten ergeben, wenn man entsprechenden Zeitaufwand in Suche, Planung und Verhandlung investiert. Dieser Zeitaufwand lohnt sich: Derjenige, der jetzt eine Immobilie will und sie sich auch leisten kann, ist in einer deutlich besseren Verhandlungsposition gegenüber dem Verkäufer als in den vergangenen Jahren.
Hinzu kommt, dass sich die Immobilienpreise nach einer Studie der DZ Bank um 4 bis 6 Prozent nach unten entwickeln werden, andere Studien sprechen von bis zu 10 Prozent. Ich vermute allerdings, dass der Preisrückgang bei Einfamilienhäusern geringer ausfallen wird als bei anderen Immobilien.
Entscheidend für alle Suchenden wird sein, das richtige Momentum auf dem Immobilienmarkt zu erwischen und gleichzeitig im schwankenden Zinsmarkt einen guten Zeitpunkt zu nutzen, bei dem man 0,2 oder 0,3 Prozent weniger Zinsen bezahlen muss. Ein solches Zinstal kann insgesamt mehrere tausend Euro weniger Zinskosten über die gesamte Laufzeit ausmachen.
Stichwort Bauzinsen: Einige Experten rechnen 2023 mit einer Entwicklung in Richtung 5 Prozent – bei einer Zinsbindung von 10 Jahren. Wie realistisch sind diese Prognosen?
Adler: Es ist definitiv nicht auszuschließen, dass es durch die Zinserhöhungen der EZB und der noch nicht abzusehenden weiteren Entwicklung der Inflation bei den Bauzinsen in Richtung 5 Prozent gehen kann. Derzeit liegen wir aber bei rund 4 Prozent. Heißt aber auch umgekehrt: Wir haben das Schlimmste bereits hinter uns, denn eine nochmalige Vervierfachung wie im vergangenen Jahr halte ich für ausgeschlossen. Wir werden dennoch Schwankungen sehen und die sollten Immobiliensuchende in ihrer Kaufentscheidung nutzen.
Welche Ratschläge können Sie Immobiliensuchenden noch geben?
Adler: Grundlage ist weiterhin eine solide Finanzierungsplanung. Es ist wichtig, frühzeitig mit einem Berater das Gespräch zu suchen und die finanziellen Möglichkeiten für einen Kredit festzulegen. Dort ist zu klären, wie viel Eigenkapital zur Verfügung steht – 20 Prozent der Gesamtkosten sind eine gute Basis. Klären kann man auch, welche Eigenleistungen man beim Neubau oder Umbau der Gebrauchtimmobilie selbst realistisch einbringen kann.
An den Finanzierungsplan sollte man mit Ruhe und Augenmaß herangehen. Welche Ein- und Ausgaben fallen pro Monat an? Was ist monatlich an Rate leistbar? – Und zwar so, dass einen die Rate nicht finanziell einschnürt und die Lebensqualität darunter leidet. Auch was Sondertilgungen angeht, sollte man im Vorfeld klären, welche realistischen Möglichkeiten es gibt und wie sie nachhaltig leistbar sind.
Außerdem sollte man sich unbedingt nach den Möglichkeiten der staatlichen Förderungen erkundigen. Denn: Neben den Klassikern wie KfW oder BAFA gibt es auf Länder- und kommunaler Ebene häufig attraktive Förderungen.
Generell rate ich dazu, den Immobilienmarkt zu beobachten. Gerade bei Gebrauchtimmobilien rechne ich mit guten Gelegenheiten. Insbesondere bei älteren Gebäuden lohnt es sich, zu verhandeln. Beim Neubau oder Neukauf bin ich etwas reservierter. Und: durch das Auf und Ab am Zinsmarkt bieten sich auch gute Gelegenheiten für vergleichsweise günstige Kreditkonditionen.
Zum Interview mit Oliver Adler im Hausplaudern-Podcast der Bausparkasse Schwäbisch Hall:
Bild: Oliver Adler, Immobilienexperte der Bausparkasse Schwäbisch Hall (Foto: Bausparkasse Schwäbisch Hall)